13. Oktober 2015

33. Anders, ich und die Isländer

Isländer sind offen, hier, wo jeder jeden kennt, wo die Kinder sehr eng miteinander aufwachsen, bis sie 16 sind, zwangsläufig denn ein Jahrgang besteht auch gerne mal nur aus 3 Leuten.
"Was, ihr seid ganze 13 Leute in der 10. Bekkur?"

"Everybody knows alsmost everything about everone"

Vorgestellt werden mir Personen gerne so:
"Thats xy, he/she is living together with xy, and you know that and that person they are related to! I also worked with him/her in that job, you know the one I old you about, when I told you about the daughter of that other xy!"

"Und wenn in China ein Reissack umfällt"
Hier weiß halt jeder, dass der umgefallen ist.

In Berlin ist man weitesgehend anonym.
Unterwegs, man läuft mit diesem bestimmten Ausdruck rum.
Andere ausblenden, keine Gefühle zeigen, Gleichgültigkeit, außer Touris stehen auf der falschen Seite der Rolltreppe, dann wird der Unmut rausgehauen bis zum gehtnichtmehr, für Freundlichkeit wird man gleich als verrückt abgestempelt, Arroganz und Selbstsicherheit, ob gespielt oder echt. In der Großstadt würde man ohne sie wahrscheinlich untergehen.
Ich gebe es ja zu, so bin ich auch und mir tut es nicht mal leid, so ist das halt in der Großstadt.

Hier aber ist dieser Ausdruck und alles was dahinter steht fehl am Platz.
Hae zu jedem den man kennt, und da man jeden kennt, zu jedem den man sieht.
Ein "Hvað segirðu gott?" zu jedem den ich näher kenne. Das heißt, an dessen Namen ich mich erinnern kann.
Namen, die ich kenne benutze ich betont oft. Das Hae bekommt aber zur Sicherheit jeder.

Für mich ist das befremdlich, jedenfalls zu Anfang, aus der deutschen Großstadt ins isländische Kleinstadtnest gestolpert.
Wenn jeder so nah aufeinander hockt, dann kommt man um Offenheit gar nicht herum. Aber es ist generell sehr isländisch offen gegenüber allem zu sein. Ob Religion, Sexualität, egal.

Das mit dem offen sein fängt mit dem nackt Duschen vor und nach dem Schwimmen an, auch in der Schule.
"Aber in Einzelkabinen?" fragt mich eine Freundin entsetzt,
Nein, einfach so.
Und wenn man mal drüber nachdenkt, was ist ein bisschen Nacktsein denn schon?

Die Deutsche in mir ist Prüde und pünktlich.
Und da ist es wieder, das Verändern. Ich will nicht prüde sein und pünktlich sein finde ich zwar wichtig und selbstverständlich, aber wenn niemand pünktlich ist, dann bin ich das auch mit meiner konsequenten deutschen, scheinbar tief in mir verankerten Pünktlichkeit nicht. Dann bin ich einfach allein und zu früh. Sogar obwohl ich mir vorgenommen hab extra spät zu kommen. Als ich dann das erste mal tatsächlich zu spät da war, hab ich mich extra isländisch gefühlt.





Lily



1 Kommentar:

  1. Schöner Beitrag Lily!
    Bei vielem musste ich schmunzeln, weil es hier auch so ist oder bei mir genau andersrum, da ich vom Land in die Grossstadt kam.
    Wuensche dir auf jedenfall noch ganz viel Spass!

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