21. Februar 2016

54. Wenn Island tatsächlich echt Realität ist

Ich habe öfters Gedanken, habe Tagträume, in denen ich mich mit meiner Rückkehr nach Deutschland auseinandersetzte.
Wir alle spüren, dass uns die Zeit zwischen den Fingern zerrinnt, Tage beginnen und enden. Ein großes Ereignis nach den anderen steht unmittelbar bevor.
Akureyri, Geburtstage, das Ende der Dunkelheit.

Von 5 Monaten, der Hälfte.
Zu 4 Monaten, weniger vor mir, als hinter mir.

Das Datum meiner Rückkehr ist so endgültig, so fest, wie es halt geht.
Diese Tatsache, dass es alles endet,
klar alles muss irgendwann ein Ende haben und doch lässt es einen verzweifeln.
Es lässt mich auf meinem Bett sitzend, den Tränen nah kommen, wenn ich daran denke, dass Freunde bald wieder auf der ganzen Welt verteilt sein werden, dass ich meine Freunde bald wieder haben werde.
Dass Isländisch durch Deutsch ersetzt wird, ich alles verstehen werde, dass alles irgendwie anders, aber doch so wie immer sein wird.
Es ist glücklich und traurig zu gleich. Verwirrend.
Als ich grade hier angekommen war fragte man mich immer, ob ich Deutschland denn nicht vermissen würde. Na klar, sagte ich dann. Aber ich sei glücklich hier zu sein.
Mittlerweile fragt man mich, ob ich mich nicht wieder auf Deutschland freuen würde. Ja und nein, sage ich dann.
Ich denke an meinen alten Alltag, überlege, in welche Richtung sich unsere Haustür öffnen lässt, kann mich nicht erinnern.
Mir fällt ein, wie sich Sommer in Berlin anfühlen,
Mamas Umarmungen,
Papas Lebensweisheiten,
die Neckereien und Diskussionen mit meinem Bruder.
Die Kleine sein,
Abende und Nachmittage mit guten Freunden.
Und ich vermisse es. Sehr.

Aber auf der anderen Seite denke ich auch immer öfter, dass es bestimmt viel geben wird, das ich vermissen werde, wenn ich wieder in Deutschland bin. All das wieder habe, das ich jetzt vermisse.

Die Weitsichtigkeit,
den Blick aus meinem Zimmer, den ich noch immer gespannt jeden Morgen, jeden Abend und zwischendurch betrachte, wie ein sich ständig wechselndes Gemälde,
Fahrten nach Reykjavík, á la, der Weg ist das Ziel, ist Autofahren in Island nämlich wunderschön.
Die Natur ist wie ein Museum, egal wohin man guckt, es ist atemberaubend.
Ich werde es vermissen aus meinem Fenster zu gucken und den Himmel zu sehen, wie ein Zelt. Sterne und Nordlichter, während ich im Bett kuschle.
Den Wind, der immer weht.
Dich und deine Gedanken durchbläst.
Das Gefühl bei scheiß Wetter mit lauter Musik und toller Aussicht über Glatteis durchs Dorf von Punkt A (Unten rechts) zu Punkt B (Oben links) zu schlittern.

Das wird schon, Þetta reddast.
Isländische Lebensmotto, das sich jeder einverleiben sollte.
Wir wollen nach Reykjavík, in 3 Stunden sind wir da. Schlafgelegenheit?
Þetta reddast!
Wir können es nicht so machen? Machen wir's einfach so.
Þetta reddast!

Menschen die mich Elskan (liebe) und Lily mín nennen, obwohl ich sie erst ein paar Monate kenne.
Takk fyrir daginn elskan mín.
Sich bedanken, wenns schön war.

Landleben, Outdoorleben.
So vieles, das ich als Stadtkind noch nie erlebt habe.
Was nur 260 Einwohner? Sagte man, bevor ich kam.
Was 260 Einwohner? Sagt man, wenn ich es jemanden aus der Hauptstadt erzählt.
Ja nur 260, und es ist toll.

Gespräche mit Kindern. Hier in meiner Schule, die Kinder von 6 bis 16 besuchen war ich von Anfang an bekannt. Und es dauerte nicht lange, da hatte ich auch schon eine Gruppe von Kleinen, die wenn immer sie mich sahen meinen Namen riefen und mich umarmten, das hält an bis heute. Ist süß, ist nervig, ist schön.

Bevor ich tatsächlich nach Island kam, war es für mich unmöglich mir ein tatsächlich echtes Leben hier vorzustellen. Jetzt nach ein paar Monaten, in denen ich mir ein tatsächlich echtes Leben aufgebaut habe, ist es schwer mir vorzustellen, dass etwas anderes existiert, in das ich tatsächlich echt zurückkehren werde.

Island hat vieles möglich gemacht.
Auch Fotos von mit in Lopapeysa und mit Engelsflügeln.
Lily


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